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Impuls zum 29. Juni 2025

Zum Fest Petrus und Paulus

Von Odilo Metzler (Stuttgart), Mitglied im Bundesvorstand

Bewährung in der Ohnmacht

Evangelium: Lk 3,15-16.21-22

1. Lesung: Apg 12,1-11 Ein Engel rettet aus der Gewalt

2. Lesung: 2 Tim 4,6-8.17-18 Der Herr wird mich retten

Evangelium: Mt 16,13-19 (-27)
In jener Zeit, als Jesus in das Gebiet von Cäsaréa Philíppi kam, fragte er seine Jünger und sprach: Für wen halten die Menschen den Menschensohn? Sie sagten: Die einen für Johannes den Täufer, andere für Elíja, wieder andere für Jeremía oder sonst einen Propheten. Da sagte er zu ihnen: Ihr aber, für wen haltet ihr mich? Simon Petrus antwortete und sprach: Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes! Jesus antwortete und sprach: Selig bist du, Simon Barjóna; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel. Ich aber sage dir: Du bist Petrus – der Fels – und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Pforten der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird im Himmel gelöst sein.

[20 Dann befahl er den Jüngern, niemand zu sagen, dass er der Christus sei. Von da an begann Jesus, seinen Jüngern zu erklären: Er müsse nach Jerusalem gehen und von den Ältesten und Hohepriestern und Schriftgelehrten vieles erleiden,

getötet und am dritten Tag auferweckt werden. Da nahm ihn Petrus beiseite und begann, ihn zurechtzuweisen, und sagte: Das soll Gott verhüten, Herr! Das darf nicht mit dir geschehen! Jesus aber wandte sich um und sagte zu Petrus: Tritt hinter mich, du Satan! Ein Ärgernis bist du mir, denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen. Darauf sagte Jesus zu seinen Jüngern: Wenn einer hinter mir hergehen will, verleugne er sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es finden. Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt? Um welchen Preis kann ein Mensch sein Leben zurückkaufen? Der Menschensohn wird mit seinen Engeln in der Herrlichkeit seines Vaters kommen und dann wird er jedem nach seinen Taten vergelten.]

Gedanken zum Evangelium
Am schwierigsten ist der Umgang mit der Ohnmacht. In den Lesungen des Festes der Apostel Petrus und Paulus werden Gewalterfahrungen berichtet oder angekündigt. Um den Nachfolgeruf Jesu an die Jünger bzw. Petrus im heutigen Evangelium zu verstehen, halte ich es für notwendig, den ganzen Text zu lesen und nicht nur die „Schokoladenseite“ des ersten Teils. Im zweiten Teil der Geschichte versucht Petrus Jesus vom angekündigten Leidensweg abzubringen, woraufhin Jesus ihn aufs Schärfste als „Satan“ rüffelt.

In der Johannespassion greift Petrus bei der Verhaftung Jesu zum Schwert, um Jesus zu verteidigen, woraufhin Jesus ihn erneut rüffelt: „Steck das Schwert an seinen Ort. Denn wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.“ (Mt 16,52) Schließlich wird Jesus von seinen Freunden, die seinen Leidensweg nicht aushalten, verraten, verleugnet und verlassen.

Die Staaten des christlichen Kulturkreises, ob Ost oder West, haben sich für den Weg des Petrus entschieden, das Mittel der Waffen. Sie rüsten, um stärker zu sein und um Gewalt durch Gewalt abzuwehren. Der US-amerikanische Theologe Walter Wink nannte dies den „Mythos von der erlösenden Gewalt“. Erlösung kommt nicht durch das Kreuz, sondern durch das Fadenkreuz des Gewehrs. Dieser Mythos bietet nicht Vergebung an, sondern Sieg. Sein Evangelium ist nicht die Liebe zum Feind, sondern seine Vernichtung. Seine Zeitenwende ist die vom Kreuz zum Schwert.

Der Psychotherapeut und Sozalphilosoph Horst-Eberhard Richter hat diese Haltung in einem Buchtitel 1993 so beschrieben: „Wer nicht leiden will, muss hassen. Zur Epidemie der Gewalt.“  Darin schrieb er: „Solange sich der Mensch einer Gnade und Versöhnung spendenden Instanz (barmherziger Gott) gegenübersah, konnte er sich das eigene Böse, die Macht der Destruktivität, eingestehen. Dagegen muss der Mensch ohne Gott das Böse verleugnen; er muss sich als sündenfrei erklären, weil es für ihn keine Gnade und auch keine Hoffnung auf Versöhnung mehr gibt.“ Dies zeigt sich auch darin, dass alle Seiten in Kriegen und bewaffneten Konflikten immer reklamieren, dass es ihnen um Verteidigung geht, dass alles Böse auf der anderen Seite ist. Der Theologe Ottmar Fuchs hat die Aussage Richters abgewandelt: „Wer nicht teilen will, muss töten.“ Anschaulich zeigt sich dies in Israel und Palästina oder im Umgang mit Geflüchteten bei uns und weltweit.

Mir fällt auf, wie entschieden Jesus darauf besteht, dass, wer sich auf ihn beruft, sein Jünger oder Jüngerin sein will, „hinter ihn treten“, ihm folgen muss. Das bedeutet, ihn als Christus, als Messias zu erkennen und anzuerkennen. Jesus macht Petrus klar, dass er anders nicht Christ sein kann.

Was mir auch auffällt: das bedeutet gerade nicht, perfekt zu sein, ohne Schuld und Fehler. Zum „Felsen“ wird für Jesus Petrus als einer, den er als Satan beschimpft hat, der ihn verleugnet und verlässt. Und zum Völkerapostel ruft Jesus den Saulus, der seine Jüngerinnen und Jünger mit gnadenloser Brutalität verfolgt hat.
Die Rettung aus Gewalt und Schuld liegt nicht im militärischen Sieg über die Gewalttäter und ihrer Vernichtung, sondern in ihrer Umkehr und im Glauben, dass es nicht nur in uns, sondern auch in den Gegnern die Kraft zum Guten gibt.

Und ein letzter Gedanke: Was du auf Erden binden und lösen wirst … Alles was uns hier im Zusammenleben mit unseren Mitmenschen und auch mit anderen Völkern an Versöhnung, an Auflösung von Schuld gelingt, verwandelt unsere Erde in neue Schöpfung, in neues Leben, in neue Hoffnung, bringt Himmel und Erde zusammen, zeigt, wie der Messias in unserem Leben zum Erlöser wird. Wir durften dies erfahren in der Versöhnung mit unseren Nachbarvölkern nach dem Grauen des letzten Weltkriegs und des Holocaust wie auch in der „Friedlichen Revolution“ und in der Auflösung der osteuropäischen Militärallianz und ihrer Zustimmung zur deutschen Einheit.

Gebet
Jeden Donnerstag versammelt sich die Gemeinde in Jerusalem zum Abendmahl und zum Gebet. Ein Gebet, das in diesem Gottesdienst gebetet wird, wird auch an die Beter in aller Welt gesendet, damit in jeder Region um 12 Uhr das Gebet gebetet wird, damit eine Welle des Gebets rund um die Erde entsteht.

Aus dem Gebet am 26. Juni 2025:
Heiliger Gott, wir leben in tiefster Verzweiflung. Wir rufen zu dir, weil wir wissen, dass du jeden Namen und jedes Gesicht in Gaza kennst und jeden einzelnen von ihnen nah bei dir hast. Wir beten für ein Ende des Krieges und für Gerechtigkeit für die Unterdrückten und Ausgegrenzten.
Herr, in deiner Barmherzigkeit erhöre unser Gebet

Gott der Wahrheit, du hörst die Schreie der Unterdrückten und durchschaust die Lügen des Imperiums. Wenn die Machthaber versuchen, unsere Zustimmung zum Krieg zu manipulieren, erinnere uns an dein Gebot: „Tu kein Unrecht und übe keine Gewalt an Fremden, Waisen und Witwen.“ (Jeremia 22,3) Heiliger Geist, hilf uns, die Maschinerie des Todes auf kreative und gewaltfreie Weise zu stören. Mögen wir Beispiele deiner Liebe sein in einer Welt, die tief durch Hass und Sünde gespalten ist.
Herr, in deiner Barmherzigkeit erhöre unser Gebet.

Göttlicher Schöpfer, wir geraten in Trauer und Wut über die Auslöschung palästinensischer Gemeinden, wohl wissend, dass unser Volk seit fast 80 Jahren dieselbe unerbittliche Kampagne der ethnischen Säuberung erdulden muss – durchgeführt durch Gerichtsbeschlüsse, militärische Drohungen und Gewalt durch Siedler. Wir bitten um Schutz für die Menschen in Masafer Yatta im Gebiet der südlichen Hebron-Hügel und um Kraft angesichts der unerbittlichen Gewalt. Gib der internationalen Gemeinschaft die Integrität, sich gegen diese Ungerechtigkeit zu erheben und die Besatzung zu beenden, die Menschenleben und Würde raubt.
Herr, in deiner Barmherzigkeit erhöre unser Gebet.

Gott aller Menschen, wir danken dir für die mutigen Stimmen und Gruppen, die sich organisieren, um in einer Zeit, in der viele unserer Gemeinschaften von Angst erfasst sind, Hoffnung und Solidarität zu bringen. „Wir sind in jeder Weise bedrängt, aber nicht erdrückt; ratlos, aber nicht verzweifelt; verfolgt, aber nicht verlassen; niedergeworfen, aber nicht vernichtet.“ (2 Korinther 4,8-9) Wir beten für alle, die sich für eine gerechte Welt einsetzen.
Herr, in deiner Barmherzigkeit erhöre unser Gebet.

(Aus: Sabeel – Welle des Gebets)